Momente sind dann am schönsten, wenn man sie mit anderen teilt. Ist das zwingend der Fall? Oder kommt es nicht mehr darauf an, wie sehr man in dem Moment lebt und was man gerade braucht?
Nachdem ich meine Master-Thesis abgegeben habe, ist sämtliche Energie von mir gewichen, ich habe es nicht hinbekommen, mich um eine letzte Hausarbeit zu kümmern – ich wollte weg. Am besten ans Meer. Und mit Unterstützung von meinen Eltern habe ich genau das getan (man darf nicht vergessen, dass das Thema Urlaub ein sehr privilegiertes ist). Statt zu schauen, wer von meinen Freund*innen Lust hat mitzukommen, habe ich mich dazu entschieden, alleine zu reisen. Der Grund: Es war unkomplizierter. Ich wollte spontan weg und wollte meine Ruhe haben. War ich deswegen alleine? Nein. Während der ersten beiden Tage war ich froh über die moderne Erfindung von Handys Unterstützung aus der Ferne zu bekommen. Durch meine Angststörung ist Reisen eine Sache für sich (darüber habe ich mal in einem alten Beitrag gesprochen). Doch nachdem ich mich eingefunden habe, hat mir nichts gefehlt, es hat mir gutgetan, am Strand spazieren zu gehen und einfach meinen Gedanken nachzuhängen, mit Blick aufs Wasser zu schreiben und mit dem Fahrrad nach Brügge zu fahren.
Für mich war es keine so große Überwindung alleine wegzufahren, anders hätte es vermutlich ausgesehen, wenn ich weit weggeflogen wäre und einen fremden Kontinent bereist hätte. Man kann sagen, dass ich mich dem alleine reisen klein angenähert habe. Schon lange unternehme Dinge ohne andere, genauer gesagt seit meinem Umzug in eine Stadt mit besseren Anbindungen und größerem kulturellen Angebot – das war 2016. Anfangs lag es daran, dass nicht alle meine Freund*innen gleiche Interesse teilen oder diejenigen, nicht ständig Zeit haben, später lag es daran, dass ich es oft als praktisch empfunden habe, sich nicht mit anderen absprechen zu müssen. Ich habe heute Abend Lust aufs Kino? Tja dann gehe ich. Diese eine Band, die ich unbedingt sehen will kommt nach Köln? Ich hole mir eine Karte. Es verleiht einem unabhängig, weniger von anderen abhängig zu sein. Klar unternehme ich gerne etwas mit Freund*innen und freue mich darüber, einen Konzert-Kumpel gefunden zu haben. Dennoch ist es auch schön, auf seine eigenen Bedürfnisse achten zu können, das zu machen, auf was man Lus hat. Seltsam und einsam bin ich mir auf keinen der Aktivitäten vorgekommen, abgesehen von etwas Langeweile, bis die Band endlich auftaucht. Ich habe die Zeit genossen – zu Musik abzugehen, bei Kinofilmen sitzen zu bleiben, bis der Abspann ende ist, ohne das mich jemand auffordert zu gehen oder Inliner in meinem Tempo zu fahren. Immer wieder musste ich aber merken, dass es für andere nicht so gewöhnlich ist, alleine unterwegs zu sein.
„Du fährst alleine in den Urlaub? Wow, du bist ja mutig. Also das könnte ich nicht. Kommst du dir da nicht einsam vor? Habe da echt Respekt vor.“
So oder so lauten zeitweise die Reaktionen. Teilweise komme ich mir so vor, als würde ich etwas total Krasses machen, statt einfach nur alleine Inliner zu fahren. Ist man plötzlich schon Superwoman, wenn man Sachen nicht nur im Rudel macht? Bei Rückfragen, warum andere denn nicht etwas alleine Unternehmen, lautet oft die Antwort, dass man sich dann komisch vorkommen würde. Wow, ein Mensch alleine im Café, krasser Außerirdischer. Ich frage mich, woher es kommt, warum sich so viele nicht trauen, etwas alleine zu machen, warum es als krasse Leistung bezeichnet wird, wenn man es macht. Steckt da vielleicht ein gesellschaftliches Problem hinter?
Ich glaube, dass oft Einsamkeit und Alleinsein gleichgesetzt ist, was nicht der Fall ist. Einsam kann ich mich auch unter Menschen fühlen, wenn ich den Eindruck habe, nicht zu ihnen zu gehören. Wenn ich etwas alleine unternehme, weiß ich, dass ich dennoch Freund*innen habe, ich habe Menschen, die ich anrufen kann, wenn es mir nicht gut geht. Daher fühle ich mich nicht einsam. Hin und wieder alleine zu sein kann für mich entspannend sein. Ich genieße die Zeit. Ich glaube, warum es mir teilweise die Reaktion von anderen so verwunderlich sind, liegt darin, dass ich noch nie damit ein Problem hatte. Keine Ahnung, ob der Grund dafür ist, dass ich ein Einzelkind bin und mich schon als Kind gut in mit mir selbst beschäftigen konnte oder ich zu sehr im Café schreibende Schriftsteller*innen idealisiert habe
Die Gesellschaft propagiert das Bild, das Spaß bedeutet, von anderen Menschen umgeben zu sein. Ab einem gewissen Alter wird man als Single schief angeschaut, kann man so glücklich sein? Eine Person, die alleine unterwegs ist, kann nichts anders sein, als zutiefst traurig und einsam, oder? Ich habe viele Freund*innen, die mir gesagt haben, sie würden auch gerne etwas alleine machen, hätten aber Angst, schief angeschaut zu werden. Euch kann sagen: Das ist mir nie passiert (zumindest habe ich es nicht wahrgenommen). Und wenn ihr alleine unterwegs seid, fällt euch auch viel mehr auf, dass auch andere alleine etwas machen. So sind bei mir auf Konzerte und im Urlaub schöne Gespräche entstanden. Man kann es auch so sehen – es bietet die Möglichkeit, andere Menschen kennen zu lernen (falls man das möchte).
Wir müssen davon weg, alleine und einsam gleichzusetzen, es sollte nicht krass sein, etwas alleine zu unternehmen, es sollte als etwas Normales, was es auch ist, angesehen werden. Dafür braucht es mehr Sicherheit für Flinta Personen. Ich habe nie schlechte Erfahrungen gemacht, wenn ich nachts nach einem Konzert noch unterwegs war. Dennoch kann ich Sorgen von Freundinnen verstehen, die sich wenn es zu spät und dunkel wird nicht trauen, alleine Bahn zu fahren u.ä. Benötigt es daher einen Sturz von patriarchalen Strukturen? Definitiv. Es kann nicht sein, dass Flinta Personen nachts nur unter Bauchschmerzen und mit einem Pfefferspray bewaffnet das Haus verlassen können.
Vielleicht möchtest du schon länger etwas alleine machen? Traust dich aber nicht? Dann habe ich ein paar Tipps für dich:
- Überlege dir eine Sache, die du unbedingt machen möchtest, für die du in deinem Freundeskreis keine Person hast
- Fang klein an – du musst nicht direkt in den Urlaub fahren, wie wäre dich mit einem Eis in den Park zu setzen?
- Nimm ein Buch mit – ja wir Leseratten haben hier einen Vorteil, so kommst du dir weniger alleine vor und kannst die Menschen um dich herum ignorieren
- Wartezeiten im Kino? Was mache ich solange? Was denken die Menschen um mich herum – um das zu umgeben, kannst du erst kurz vor Beginn in den Saal gehen
- Einige Veranstaltungen enden zeitweise recht spät, bei Konzerten gibt es häufiger Gruppen, die einen ähnlichen Rückweg haben und denen man sich anschließen kann, es hilft sonst auch, mit einer vertrauten Person zu telefonieren, seinen Standort zu teilen oder sich abholen zu lassen.
Wie geht es euch? Unternimmt ihr Sachen alleine oder nicht? Habt ihr noch weitere Tipps?
Ich freue mich über eure Kommentare 🙂