Wie bin ich zum Lesen gekommen und was bedeutet es für mich? Welche Rolle hatten meine Familie und der Deutschunterricht auf mein Leseverhalten? Um diese Fragen drehte sich vor Kurzem eine Aufgabe, die ich im Zuge einer Literaturvorlesung zu erledigen hatte. Beim Schreiben meiner (narrativen) Lektüre-Autobiographie fiel mir auf, dass auch eine gute Idee für einen Blog Beitrag wäre. Ein paar Aspekte habe ich zwar schon in einen meiner ersten Beiträge „Bücher und ich“ erwähnt, dieser ist jedoch schon zwei Jahre her, daher gibt es hier die ausführliche Variante meiner Lese-Geschichte, in der am Ende auch auf die Bedeutung von dem Blog und Instagram eingegangen wird. Doch beginnen wir vorne:
Kassetten und Hörbücher
Laut meinen Eltern haben sie mir, als ich klein war, vorgelesen. Daran kann ich mich nicht mehr so gut erinnern. An was ich mich aber gut erinnern kann, sind die beiden Koffern lauter Kassetten von Hanni und Nanni und Bibi Blocksberg. Ich konnte mich schon als Kind gut alleine beschäftigen und habe Stunden in meinem Zimmer damit verbracht, zu spielen und dabei Kassetten zu hören. Wenn ich rückblickend darüber nachdenke, war es vermutlich der Grundstein für meine spätere Leseleidenschaft, denn hier ist meine Begeisterung für Geschichten erwacht. Sie luden zum Träumen ein und ich fand (und finde) es wunderbar, mit Figuren ein Abenteuer zu erleben und mit ihnen auf eine Reise zu gehen. Später wurden aus Kassetten Hörbücher, die bei mir rauf und runter liefen. Das waren bei mir: Die Wilden Hühner und Tintenblut (die anderen hatte ich nicht) von Cornelia Funke, Lemony Snicket: Der finstere Fels (großartig von Rufus Beck vorgelesen) und Vier verrückte Schwester (Alles Leseratten, die Ferien bei ihrer Oma machen müssen, wo abgesehen von Kochbüchern Bücher verboten sind).
Leseanfänge
Es müsste Anfang der Grundschulzeit gewesen sein, dass ich mich mit meiner Mutter an einem Nachmittag hingesetzt habe und das Lesen geübt habe. Ich kann mich an keine Schwierigkeiten dabei erinnern, wir übten ein paar Stunden zusammen und anschließend beherrschte ich es. Danach erhielt ich von meinen Eltern die Bibi Blocksberg Bücher, die ich aufgrund der Dünne jeweils an einen Tag las, weswegen meine Mutter schließlich auf die Idee kam, ihre alten Hanni und Nanni Bücher vom Dachboden zu holen. Somit haben meine Eltern von Beginn an verstärkt mein Leseverhalten geprägt. Sie haben dafür gesorgt, dass ich immer eine Lektüre hatte.
Die Welt der Fantasybücher eröffnete sich mir mit Harry Potter, als ich neun Jahre alt war. Durch einen unglücklichen Sprung von einem Bushäuschen (liebe Kinder macht dies bitte nie), hatte ich meinen Arm gebrochen. Es war ein heißer Sommer und wir saßen auf dem Balkon, als meine Patentante mir den ersten Band vorbeibrachte. Ich weiß noch, wie ich die ersten Seiten mit meinen von der Operation noch roten Fingern beschmutzt habe. Durch den Bruch konnte ich nicht viel machen und daher las ich und las ich. In kurzer Zeit habe ich die damals bis zu dem Zeitpunkt erschienenen fünf Bücher gelesen. Und bevor es zu einem Beitrag, wie stark mich Harry Potter geprägt hat, spreche ich lieber an, dass ab da Geschichten für mich Fantasy Elemente benötigte und so kam ich zu Der Goldene Kompass, Tintenherz, Eragon, den Werken von Kai Meyer und und und. Da die (Jugend)-Fantasy Abteilung in der Bücherei kläglich war, wurde ich Stammgast im örtlichen Buchladen. Damals war mir nicht bewusst, was für ein Vermögen meine Eltern für mein Lesekonsum ausgaben.
Schulzeit
In der Grundschule gab es immer mal wieder so eine Art „Vorlese-Stunden“. Lehrkräfte haben aus verschiedenen Büchern vorgelesen. Diese wurden im Vorfeld auf Plakaten vorgestellt und man konnte sich Zettel ziehen, wohin man gehen möchte. In der dritten Klasse begann ich, selbst vorzulesen. Mir machte das immer viel Spaß und als meine Ur-Oma Älter wurde, las ich ihr immer mal wieder aus einem Märchenbuch vor.
In der weiterführenden Schule musste ich feststellen, dass Lesen nicht zu den „coolen“ Hobbys gehört und über das sich eher lustig gemacht wird (gerade wenn man passenderweise auch noch eine Brille trägt). Gebremst hat es mich im Lesen nicht, es hat es hingegen sogar gefördert, weswegen früher gerade Eskapismus für mich eine treibende Rolle gespielt hat. Wie Bastian aus der Unendlichen Geschichte wurde ich in der Schule gemobbt und suchte Rückzug in den Geschichten. Gefreut hat es mich, als ich schließlich eine Freundin fand, die ebenso gerne las wie ich. Endlich war da jemand, mit dem man sich austauschen- und sich Bücher gegenseitig ausleihen konnte.
Trotz der Tatsache, dass ich immer gerne geschrieben habe, ließ meine Rechtschreibung zu wünschen übrig. In der Grundschule hatte ich bei meinem Lehrer nicht viel gelernt und Diktate konnten wir beispielsweise zu Hause üben. In der fünften und sechsten Klasse hatte ich eine Referendarin, die meine unruhige Klasse eher weniger im Griff hatte. Wie wenig ich in der Zeit gelernt hatte, erfuhr ich, als ich in der siebten Klasse eine neue, strenge Lehrerin mit hohen Erwartungen bekam. Meine Noten und meine Motivation sanken. Diese kamen erst mit dem Buch Die Vorstadtkrokodile zurück. Der Deutschunterricht machte mir wieder Spaß. Ich weiß noch, dass ich in der folgenden Arbeit einen Brief an den Bandenführer schreiben sollte, warum sie Kurt, der im Rollstuhl saß, aufnehmen sollen. Hier war mein Gerechtigkeitssinn geweckt und mit einem Mal hatte ich im Text kaum Fehler sowie eine gute Note.
Lektürearbeit war allgemein immer das, was ich im Deutschunterricht am liebsten gemacht habe. Während der größte Teil der Klasse Wilhelm Tell nicht leiden konnte, fand ich es hingegen interessant, da ich Theater schon immer mochte und ich die kreativeren Aufgaben dazu begrüßte. In der Oberstufe nahmen wir im Deutsch LK die Neue Sachlichkeit durch. Endlich kamen auch Frauen in der Literatur vor. Die Unterrichtseinheit war von meinem damaligen LK Lehrer interessant gestaltet und ich entwickelte eine Faszination für die damalige Zeit. Wir lasen auch die verschiedensten Textauszüge, die mir so gut fielen, dass ich später Das Kunstseidene Mädchen sowie Fabian die Geschichte eines Moralisten privat las, obwohl wir es für die Schule nicht tun mussten. Hierbei hat der Deutschunterricht insofern eine Rolle gespielt, dass er mein Interesse für eine Epoche geweckt hatte, sodass ich mich privat näher mit ihr Beschäftigen wollte.
Blog bis heute
2018 beschloss ich, mit einer früheren Freundin, einen Blog zu starten. Ich hatte schon lange im Vorfeld mit dem Gedanken gespielt, ihn aber nie umgesetzt und das wollten wir zusammen ändern. Im April ging meine erste Rezension zu Im Herzen der Gewalt vom französischen Autor Edouard Louis online. Der Blog wurde unter anderem zu einer Möglichkeit, meine Liebe zum geschriebenen Wort zu teilen und Gleichgesinnte kennenzulernen. Auf einmal war da eine riesige Buchcommunity! Menschen feierten das Lesen! Bei Tina vom Blog Buchpfote habe ich erfahren, dass sie Der seltsame Fall von Dr. Jekyll und Mr. Hyde in einer ReadingClassic Leserunde lesen wird. Da es schon länger auf meinem SuB lag, habe ich gefragt, ob ich mich anschließen könnte und wurde nett aufgenommen. Wir stimmen uns über ein Buch ab, haben für das Lesen zwei Monate Zeit und quatschen bei Skype darüber. Dadurch habe ich schon Werke gelesen, zu denen ich sonst eher nicht gegriffen hätte (wie z. B. 12 Years a Slave). Es ist auch immer wieder spannend zu sehen, wie andere Bücher wahrnehmen. Diesen Austausch mag ich sehr, weswegen ich auch dieses Jahr viel Spaß mit zwei Buddy Reads hatte. Mit Nico vom Blog Buchwinkel habe ich Steinerner Himmel gelesen, den dritten Band von der Broken Earth Trilogie der amerikanischen Autorin Nora K. Jemisin, das viel Gesprächsstoff bot. Ähnliches gilt für Frank Herberts Sci-fi Epos Dune, wo ich mit Elisa vom Blog Reisenderbücherwurm viel zu besprechen hatte.
Lesen verbindet – das habe ich dadurch gemerkt und bin Social Media dadurch dankbar. Es ermöglicht, Bücher nicht „nur“ zu lesen, sondern sie auch zu besprechen, sich nähere Gedanken machen, andere Blickwinkel einzunehmen. Und wenn ich auch hin und wieder in einem Monat zu keinem Buch greife, ist es dennoch weiterhin eines meiner liebsten Hobbys. Wie damals bedeutet es für mich eine Flucht in eine andere Welt, Entspannung, Unterhaltung und Abschalten, einen Blick auf eine andere Zeit zu erhalten oder Wissenserwerb wie z. B. durch Biografien und Sachbüchern.
Und nun zu euch: Wie seid ihr zum Lesen gekommen, was bedeutet es für euch? Lasst es mich gerne in einem Kommentar wissen. Teilt gerne eure #MeineLeseGeschichte
Bei mir war das ganz ähnlich mit den Anfängen, auch meine Eltern haben das Lesen gefördert und das war damals (ich bin ja ein „bisschen“ älter als du) gar nicht so selbstverständlich. Großes Glück hatte ich allerdings auch in der Hinsicht, das meine Eltern einen gut bestückten Bücherschrank hatten, aus dem ich mich zwar nicht selbständig bedienen durfte, das aber gern überging, wenn mal zufällig der Schlüssel steckte. Auf diese Weise kam ich auch an die Bücher, für die ich eigentlich noch zu jung war. Ich versteckte mich mit ihnen in einem begehbaren Schuhschrank, mit Taschenlampe bewaffnet und las und las und las.
ach sehr schöne Anekdote, hat doch direkt etwas abenteuerliches an sich, sich in einem Schuhschrank mit Taschenlampe und einem „verbotenen“ Buch zu verstecken 😀
Ich kann mich noch sehr gut daran erinner, wie mein Papa uns immer vorgelesen hat. Der musste da durch einiges durch… die immer wieder gleichen Geschichten/Bücher… aber es sind mir sehr wichtige Erinnerungen! 🙂
ach das ist schön! Ans Vorlesen habe ich leider keine Erinnerungen mehr.