Jahresrückblick: Tops und Flops aus dem Jahr 2020

Mit etwas Verspätung gibt es jetzt auch meinen Filmrückblick zu einem Jahr, das wir uns wohl alle etwas anders vorgestellt haben. Im Januar hätte ich wohl damit gerechnet, euch Dune als meinen Lieblingsfilm aus 2020 vorzustellen, doch dieser wurde wie viele weitere verschoben. Über mehrere Monate waren die Kinos geschlossen, dennoch war ich einige Male im Kino und es sind ein paar Filme zusammen gekommen. Einige sind mir auch entgangen, beispielsweise der Der Schwarze Diamant auf Netflix (zu dem ich viel Positives gehört habe) werde ich noch nachholen. Wer lieber Lust auf etwas für die Ohren hat, dem kann ich auch die neuste Podcast Folge von Bingehype vorstellen. Dort quatsche ich mit Nicole über unsere Jahreshighlights, die ganz unterschiedlich ausfallen.

Porträt einer jungen Frau in Flammen

Beim erster Kinobesuch 2020 war auch zu einem Film, den ich im Dezember verpasst habe und den ich euch dennoch als einen meiner Highlights vorstellen werde. Die Rede ist von Porträt einer jungen Frau in Flammen bei der Céline Sciamma Regie geführt hat und über den ich nur schwärmen kann. Es ist eine wunderschöne Liebesgeschichte über zwei Frauen, die um 1770 auf einer abgelegenen Insel in der Bretagne spielt. Die Malerin Marianne soll ein Porträt von Héloïse machen, dass für eine angehende Hochzeit an einen Mann aus Mailand gehen soll, gegen die sie sich allerdings sträubt. So kommt Marianne unter dem Vorwand, Zeit mit ihr zu verbringen, auf die Insel.

Porträt einer jungen Frau in Flammen hat eine ruhige Erzählweise und fängt damit die zarte, langsam entfaltete Liebesgeschichte ein, die von den beiden Darsterinnen Noémie Marchant und Adèle Haenel dargeboten wird, die sich immer wieder Blicke am Anfang mit Neugierde und später voller Zuneigung zu werfen. Eingefangen wird dies mit wunderschönen Bildern von der Kamerafrau Claire Mathon. Dazu kommt ein Ende, dessen Wucht sich auch bei einem Rewatch wieder komplett entfaltet hat.

Little Woman

Das nächste Highlight, den ich euch vorstellen möchte, ist Little Woman von Greta Gerwig, die ihr Talent schon mit dem autobiografisch angehauchten Film Lady Bird bewiesen hat. Erneut ist Saoirse Ronan in der Hauptrolle zu sehen. Allgemein ist der Cast mit Timothée Chalamet, Emma Watson, Florence Pugh, Laura Dern und Meryl Streep hochrangig besetzt. Erzählt wird die Geschichte vier Schwestern, die Mitten des 19. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten aufwachsen. Während Meg unbedingt heiraten möchte, sehnt sich Jo danach, Schriftstellerin zu werden. So folgt man den unterschiedlichen Geschwistern auf ihren Wegen. Es ist eine starke Modernisierung mit feministischen Tönen. Zu gute kommt dem Film die zwei Zeitebenen, die Gerwig elegant mit einander verknüpft und mehr Dynamik sowie an gewissen Stellen auch mehr Dramatik mit ein bringt. Little Woman ist witzig, emotional und hat mir Tränen in die Augen getrieben.

Niemals Selten Manchmal Immer

Ein weiterer Film, der mich noch lange nach dem schauen beschäftigt hat, ist die Indie-Perle Niemals Selten Manchmal Immer von Eliza Hittman. Hier geht es um die 17-jährige Autumn, die ungewollt schwanger ist. Da sie sich aber nicht ihren Eltern anvertrauen kann und eine Abtreibung in Pennsylvania für Minderjährige nur mit der Erlaubnis eines Erziehungsberechtigten möglich ist, reist sie mit ihrer Cousine Skylar nach New York in eine Abtreibungsklinik. Damit ist es ein wichtiger Film zu einem hochaktuellen Thema, das sensibel angegangen wird.

Sidney Flanigan und Talia Ryde sind große Neuentdeckungen, die in ihrem subtilen Schauspiel viel mit Blicken und kleinen Gesten ausdrücken. Sie haben eine wunderbare Chemie zusammen und brauchen nicht viele Worte, um zu kommunizieren. Sie halten zusammen gegen die patriarchale Gesellschaft und den Sexismus, der ihnen begegnet. Das ganze wird in grauen Tönen inszeniert und von Kameraarbeit von der Französin Hélène Louvart eingefangen, die an dieser Stelle noch hervorzuheben ist.

Berlin, Alexanderplatz

Die Modernisierung von Alfred Döblins Berlin, Alexanderplatz ist ein außergewöhnlicher Film. Aus Franz wird Francis, der von Nordafrika nach Deutschland flüchtet und dort in die Machenschaften des Kriminellen Reinholds gerät. Nicht ohne Grund hat Yoshi Heimrath einen Preis für seine Kameraarbeit erhalten, denn was dort zusehen kommt, ist bildgewaltig. Dazu gibt es eine ungewöhnliche Erzählweise mit den fünf Akten plus Epilog. Albrecht Schuch spielt fantastisch den durchtriebenen Reinhold. Selten habe ich mich so über eine fiktive Person aufgeregt und hätte im Kino Francis am liebsten angeschrien und wachgerüttelt, das er endlich sich von ihm losreißen soll. Ein gutes Gefühl erzeugt Berlin, Alexanderplatz nicht, oft habe ich mich unbehaglich gefühlt, nur kann man das kritisieren oder ist es das, was der Film sein möchte? Zeitweise fühlte er sich lange an, doch hat er mich wiederum nicht losgelassen.

1917

Ein Film fürs Kino ist ohne Zweifel 1917 von Sam Mendes, der den Kriegsfilm in einen (fast) einzigen unterbrochenen Shot gedreht wurde. Hinter der Kamera steht auch niemand Geringeres als Roger Deakins. Die Bildsprache des Films ist beeindruckend. Er startet auf einer grünen Wiese, wo Will und Tom entspannen. Hier ist alles friedlich, dann geht es für sie komplett durch die Hölle. Sie ziehen durchs Niemandsland, vorbei an toten Pferden und aufgedunstet Leichen. Ratten, ein Griff in den aufgeplatzten Bauch einer Leiche – es wird einem die Schrecken des Krieges vor Augen geführt. Man fiebert und leidet mit den Hauptpersonen mit.

Jojo Rabbit

Jojo Rabbit ist ein Film, der nicht jedermanns Sache ist. Ich mochte die überspitzte Inszenierung. Der zehnjährigen Jungen Johannes (fantastisch: Roman Griffin Davis) himmelt Hitler wie ein Superstar an, bis eines Tages er im Haus einer versteckten Jüdin begegnet.  Es ist verstärkt auch eine Coming of Age Geschichte eines Jungen, der erwachsen wird, sich zum ersten Mal verliebt und lernen muss, sich eigene Gedanken zu machen und nicht blind einem System hinterherzulaufen. Neben witzigen Stellen wird es auch emotional. Jojo Rabbit ist keine Verherrlichung der NS-Ideologie, sondern zeigt stattdessen auf seine humoristische Art und Weise auf, wie lächerlich diese ist und gibt eine positive Botschaft mit.

Mittelmaß & Enttäuschungen

2020 gab es auch ein breites Mittelfeld von Filmen, die ich zwar mochte, denen aber etwas fehlte, um zu meinen Highlights zu zählen. So beispielsweise Waves, ein packendes Drama, das zeitweise etwas zu über ambitioniert wirkte. Der Unsichtbare hatte eine starke erste Hälfte, fiel dann aber leider ab. Sehenswert waren auch Emma und Bombshell, wo mir beim zweiten allerdings etwas die Tiefe fehlte, dennoch gelungener Film. Persönliche Enttäuschungen hatte ich auch, das waren bei mir Produktionen, bei denen ich zu viel erwartet habe. Einer davon war Gentlemen. Ich hatte mich richtig auf den neusten Guy Ritchie Film gefreut, und schlecht fand ich ihn auch nicht, nur fehle ihm etwas. Dazu gab es zum Ende eine Sache mit Michelle Dockerys Figur, das man im Jahr 2020 einfach sein lassen kann.

Ebenso ungünstig viel die Frauenfigur bei Christopher Nolans Film Tenet aus. Sie dient als Love Interest des Protagonisten an den Antagonisten, ihren Ehemann heranzukommen, der zudem ein misogynes Arschloch ist sowie ein farbloser Bösewicht ohne ledigliche Motive. Allgemein fühlt sich Tenet an vielen Stellen wie ein schlechter Bond-Film an. Und ja, der Film ist technisch wirklich hervorragend. Sieht und klingt bombastisch. Es wurde fürs Kino gemacht. Für mich war es dann aber doch zu wenig. Eine eigentlich recht simple Idee wird verkompliziert erklärt, ich habe an keiner Stelle die Bedrohung wahrgenommen und eine große Aktionseqenz gab mir das Gefühl, dass Nolan den Film nur verfolgt hat, weil er es cool fand, wie Menschen rückwärts laufen.

Mehr erwartet hatte ich auch bei Knives Out, der zwar unterhielt und Spaß machte, doch einfach solide war. Das mit dem Übergeben fand ich nicht wirklich witzig. An dieser Stelle auch eine Warnung an Menschen mit Emetophobie. Ich glaube, meine Erwartungshaltung war zu hoch. Vielleicht ändert sich meine Meinung bei einer zweiten Sichtung.

Was waren eure Tops und Flops aus 2020?
Lust auf mehr Filmempfehlungen? Die findet ihr beim Rückblick von Renés Rückblick, durch den meine Watchlist wieder etwas länger geworden ist.

 

 

 

 

 

5 Kommentare

  1. Sehr schöner Überblick! Das Filmjahr ging so stark los und dann kam Corona dazwischen :/

    Jojo Rabbit fand ich auch sehr, sehr toll! Tenet (mit einer Alibi-Frauenfigur) und 1917 waren dagegen technisch stark und wie gemacht für die große Leinwand. Little Woman habe ich vor ein paar Tagen auf Sky gesehen. Ich fand ihn ganz nett, aber stellenweise wurden die Mädels auch etwas nervig 😀 Bei Niemals Selten Manchmal Immer warte ich noch auf den Sky Release.

  2. Wörter auf Reise

    Oh ja das stimmt…
    Habe ich bei Little Woman gar nicht so empfunden, wobei einer der Schwester zeitweise, aber laut einer Freundin war sie in der Serienadaption anstrengender und ich fand, dass sie eine gute Entwicklung gemacht hat.
    Wird bestimmt bald der Fall sein 🙂

  3. Ich hacke ja selten auf Schreibfehlern rum, aber der hier ist auf seine eigene, seltsame Art doch auch recht interessant: „keine Verehelichung der NS-Ideologie“. 😉

    Ansonsten hab ich aus deiner Liste auch ein paar Filme gesehen und mein persönlicher Favorit „Never Rarely Sometimes Always“ ist auch bei dir recht gut weggekommen, wie mir scheint.

  4. Wörter auf Reise

    Ups, danke für den Hinweis, da werde ich nochmal in den Text gehen! Bei anderen springen mir Fehler auch immer ins Gesicht und bei meinen eigenen bin ich was blind…

    Oh ja, ein großes Highlight für mich.

  5. Also bei „Gentlemen“ bin ich ja gespannt, wie da mein Fazit ausfällt, den habe ich mir für die kommenden Wochen auch vorgenommen, dann können wir ja nochmal etwas intensiver über den Film sowie die weibliche Figur plaudern. Ich denke aber, dass ich davon sicher genauso genervt sein werde wie du :D. Da stimmen wir ja meist überein, genauso wie auch in Bezug auf „Knives Out“, aber auch so manches Highlight wie „Little Women“. Nur „Emma“ und „Bombshell“ haben mir einen kleinen Ticken besser gefallen. Bei „Emma“ kam der Film einfach zu rechten Zeit, wo die Leichtigkeit und das Oberflächliche, gepaart mit ganz viel Humor und wunderschönen Kostümen, einfach ne schöne Abwechslung war und wo ich super aus dem Alltag entfliehen konnte. Bei „Bombshell“ fand ich das man durch die flotte Erzählweise, halt doch ein größeres Publikum ansprechen konnte, was ich bei der Thematik wichtig und gar nicht verkehrt finde.

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